Innerhalb der Namenforschung bereitet die Deutung der Familiennamen oft große Schwierigkeiten; nicht aber bei unserem Namen Schmeja, der sich einwandfrei etymologisieren lässt.
Wie bei jedem Wort dessen etymologische Deutung wir geben wollen, müssen wir beim
Eigennamen von der ältesten belegten Form ausgehen, wie sie uns gewöhnlich in urkundlichen
Schreibungen entgegentritt. In unserem Fall kann ich mich auf den Ahnenpaß
meines Onkels1 stützen,
welcher Ausweis zu Beginn der Vierzigerjahre über behördliche
Anordnung angelegt wurde. Nun zum Lautlichen: Wie kommt es, daß der Name Śmieja in deutscher
Schreibung als Schmeja erscheint? Die Anzahl der Zischlaute in den slawischen Sprachen ist
bekanntlich viel größer als im Deutschen. Der dem Deutschen sch entsprechende Laut
wird im Polnischen durch sz wiedergegeben; polnisch ś ist ein dem
deutschen sch ähnlicher, aber etwas mehr zum s hin liegender Laut, der
auch in ostpolnischen Dialekten fast mehr als (stimmloses) s gesprochen wird. Polnisch
ś wird automatisch artikuliert statt s (das stimmlos ist; stimmhaftes
s wird im Polnischen durch z wiedergegeben) vor unmittelbar folgendem
i, wobei die Schreibung s sogar beibehalten wird; wegen des (hier jedoch
nicht unmittelbar) folgendem i kann im Anlaut des Namens Śmieja nur ś
stehen und niemals s (siehe oben Anmerkung 2). Da das Deutsche nicht zwei sch-
Laute wie das Polnische: ś und sz unterscheidet, wird nach der Aussprache
bzw. nach dem Gehör das polnische ś im Namen Śmieja durch sch
wiedergegeben, das i wird weggelassen; so kommen wir zur heutigen Namenform Schmeja.
1 Auch ich selbst besaß - wie fast alle Mitglieder unserer Familie - einen solchen Ahnenpaß,
doch wurde über die Wirren des Umbruchs 1945/46 nur der meines Onkels Norbert Schmeja, eines
echten Cousins meines Vaters hinübergerettet. Dieser Ahnenpaß befindet sich im Besitz von Frau Edith Schmeja
in Dachau, der ich an dieser Stelle für die daraus gemachten Auszüge recht herzlich danke.
Die älteste Eintragung in diesem Ahnenpaß nennt unter der
Nummer 32 einen Franz
Johannes Śmieja2,
Sohn des Johannes Śmieja und der Frau Katharina,
der am 3.Oktober 1758 in Pleß geboren und am selben Tag getauft wurde, was beim
römisch-katholischen Pfarramt in Pleß beurkundet ist. Interessant ist für uns der
unter Nummer 16 angeführte Augustin Johannes Śmieja, geboren am 26.August 1784 in
Pleß als Sohn des oben genannten Johannes Śmieja und Anna Urdzon, der, wie das römisch-katholische Pfarramt in Pleß beurkundet, am 27.August 1784 getauft wurde, denn dieser selbe
Augustin Johannes Śmieja taucht als Tuchmacher Johann Schmeja wieder auf: Am 6.November
1805 erfolgte in Biala bei Bielitz dessen Eheschließung mit Katharina, geborene Bistronin,
wie das römisch-katholische Pfarramt Biala beurkundet (Reg.Nr. I/71)
Die Änderung der Schreibweise des Namens in Schmeja für Śmieja (welche Schreibweise sich
dann bis heute erhalten hat) erfolgte also zwischen 1784 und 1805 und steht offensichtlich
in Zusammenhang mit der Übersiedlung des Namensträgers aus dem preußischen Pleß in das
österreichische (galizische) Biala. Der Grund für diese eindeutschende Schreibweise des Namens
wird dabei nicht so sehr in einer größeren deutschsprachigen Bevölkerung in der Sprachinsel
Bielitz-Biala zu suchen sein, da ja wohl auch Pleß eine überwiegend deutschsprachige Bevölkerung
hatte, wofür das alteingesessene deutsche Geschlecht der Fürsten von Pleß zeugt; auch war
die deutschsprachige Bevökerung von Bielitz-Biala mehr auf Bielitz beschränkt, das zu Österreich-Schlesien gehörte,
während Biala, das galizisch war, wohl schon damals eine Polnisch sprechende
Mehrheit hatte; den Grund für die eindeutschende Schreibung Schmeja für Śmieja glaube ich
in Gepflogenheiten der österreichischen Verwaltung zu finden; die Anfügung des femininen -in
an Frauennamen (Katharina, geborene Bistronin) entspricht ebenfalls der österreichischen Tradition
und ist im preußischen Pleß nicht der Fall (Anna Urdzon). Österreichischen Gepflogenheiten
entspricht auch die Namensform Johann für Johannes sowie - bei mehreren Vornamen - die Stellung
des Rufnamens an erster Stelle (der Sohn des Augustin Johannes Śmieja in Pleß= Johann
Schmeja in Biala heißt Johann Anton Schmeja, der Vater des Augustin Johannes Śmieja heißt
Franz Johannes Śmieja; daß Johannes jeweils der Rufname ist, geht nicht nur daraus hervor,
daß fünf Träger dieses Namens unmittelbar aufeinander folgen, sondern auch daraus, daß z.B.
Augustin Johannes Śmieja als Sohn des Johannes Śmieja angeführt ist, der aber laut
Taufurkunde Franz Johannes heißt, und daß dieser Augustin Johannes Śmieja selbst in der
Trauungsurkunde wieder nur mit seinem zweiten Vornamen als Johannes Śmieja verzeichnet ist).
Daß bei mehreren Vornamen der Rufname an letzter Stelle steht, entspricht den preußischen
Gepflogenheiten.
Was die Verbreitung anbetrifft, so war dieser Name (und ist es wohl auch heute noch) in Schlesien relativ
häufig anzutreffen, besonders in der Gegend von Kattowitz, auch wieder polonisiert als Szmeja
Zum Schluß wollen
wir die Erklärung des Namens geben, die verhältnismäßig einfach ist: Śmieja ist eine Ableitung
vom polnischen reflexiven Verbum śmiać się lachen, śmieję
się ich lache, die ungefähr soviel wie lachlustig bzw. der
Lachlustige bedeutet4. Eine Parallele liegt vor in der Bildung des russischen
Gerundiums: smějá vom Verbum smějúsь, smejátьsja lachen. Dieses Wort für
lachen, das auf die indogermanische Wurzel *smei- lächeln zurückzuführen
ist5, findet sich in entsprechender Form nicht nur in den slawischen Sprachen und
im Baltischen (lettisch smeju, Präteritum smȇju ,Infinitiv smiȇt lachen),
sondern auch etwa in englisch smile lächeln oder in griech. φιλο
-μμειδης (aus *-σμειδης)
"gern lächelnd", dem Beiwort der Aphrodite bei Homer und Hesiod; hier haben wir auch eine gewisse
Parallele zum Namen Śmieja, da es häufig vorkommt, daß ein Beiwort zu einem Personennamen
wird. Bildungsmäßig entspricht dem mit Adjektiven zusammengesetzten griechischen φιλο
-μμειδης slowenisch smeho-liúb gern lachend, lachlustig das der gehobenen, dichterischen
Sprache angehört; daneben steht das umgangssprachliche smejav lachlustig (mit leicht
pejorativem Sinn), das mittels Suffix direkt vom Verbum smejati lachen abgeleitet
ist wie der Name Śmieja im Polnischen.
Smieja bzw. richtiger Śmieja, die älteste
überlieferte Form des Namens Schmeja erweist eindeutig dessen Herkunft vom polnischen Zeitwort
śmiać się lachen; somit sind alle anderen Herleitungen, wie sie bisweilen
vorgebracht werden, - etwa von polnisch żmija, russisch zmijá und změjá Schlange
oder von den hebräischen Namen Schemaja (jüdischer Gesetzeslehrer im 1.Jh.v.Chr. in Jerusalem) bzw.
Schemarja (ben Elia Ikriti, aus Negroponte, jüdischer Bibelkommentator um 1300 in Rom) - zumindest
für unseren Fall abzulehnen.
2 Im Ahnenpaß findet sich jeweils nur die Schreibung Smieja (nicht Śmieja), doch ist
eine solche Lautfolge im Polnischen nicht gut möglich und kaum auszusprechen; das folgende i
sowie die spätere Eindeutschung mit sch erfordert unbedingt polnisch ś.
Ich bin überzeugt, daß bei der Anfertigung des Ahnenpasses im Großdeutschen Reich
das diakritische Strichlein auf dem s bei den Abschriften aus den Pfarrarchiven als
undeutsch fortgelassen wurde. - Auf das Verhältnis von polnisch ś zu deutsch
sch komme ich noch zurück.
3 Das Bewußtsein von der dreifachen Art der
Schreibung desselben Namens zeigt sich in der Geschichte von den drei Brüdern, die, wie mein Urgroßvater
seinen Kindern zu erzählen pflegte, in drei verschiedene Himmelsrichtungen wanderten und je nach
dem Land, in dem sie sich niederließen, ihren Namen Śmieja, Schmeja oder Szmeja schrieben.
4 Eine bedeutungsmäßige Entsprechung im Deutschen ist etwa der Familienname Lächler
(A.Bach, Deutsche Namenkunde I 1, Heidelberg 1952, Seite 298), nicht aber die Familiennamen Lachmann
oder Lachner, die von mhd. läche Grenzzeichen herzuleiten sind (ebenda
Seite 267); letzteres geht aber zum Teil auch auf mhd. lächensere Sprecher von Krankheitssegen,
Arzt zurück (ebenda Seite 276).
5 M. Vasmer, Russisches etymologisches Wörterbuch
Band 2 (Heidelberg 1955), Seite 673;
R.Trautmann, Baltisch-Slavisches Wörterbuch (Göttingen 1923),
Seite 270f,
J. Pokorny, Indogermanisches etymologisches Wörterbuch (Bern 1959), Seite 967
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